UND WIR
IN SEINEN HÄNDEN

Chorwerke von Johann Hermann Schein, Max Reger und Johanna Marsh

Konzerte des Kronenchor Friedrichstadt

Samstag, 9. November 2024, 18 Uhr

St. Lukaskirche
Bernburger Str. 3-5, 10963 Berlin – Kreuzberg
(S-Bhf. Anhalter Bahnhof)

Sonntag, 10. November 2024, 17 Uhr

Luisenkirche, Gierkeplatz 4, 10585 Berlin
(U-7 Richard-Wagner-Platz)

Leitung: Teresa Pfefferkorn

Anne Mieke Hardenbol – Cello
Xavier Durand – Orgel
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Und wir in seinen Händen – tägliches Leben, täglicher Tod
Ein Mann springt von einer Mauer ins Leere und breitet dabei weit seine Arme aus. Woher nimmt er diese Zuversicht in Erwartung dessen, was ihm passieren kann – Yves Klein springt in der Original-Fotomontage gut gelaunt von einer französischen Gartenmauer* -, wieviel Gottvertrauen muss er haben, dass alles gut gehen wird? Oder Selbstvertrauen?
Im Programm zum November-Konzert des Kronenchores – zwischen dem katholischen Allerheiligenfest und dem protestantischen Totensonntag platziert – haben wir zwei berühmte Sammlungen der Chorliteratur zusammengefügt – Johann Hermann Scheins „Israels Brünnlein“, 1623 erschienen, und Max Regers „Acht geistliche Gesänge“, 1914 komponiert und 1916 herausgegeben – und mit einer Werkauswahl der jungen britischen Komponistin Joanna Marsh kontrastiert.
Beide Sammlungen sind zu unbestimmten Zwecken komponiert und kombiniert. Beide sind nicht zwangsläufig für den liturgischen Gebrauch gedacht. Und beide basieren auf einer Textauswahl, die die Komponisten vermutlich selbst getroffen haben. Scheins Fundus ist dabei das Alte Testament, Reger bedient sich deutscher Liedtexte aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die er in der Gedichtsammlung „Der Deutsche Psalter – ein Jahrtausend geistliche Dichtung“, 1914 von Will Vesper herausgegeben, gefunden hatte.
So unterschiedlich sie in den Textnormen und den musikalischen Ausdeutungen sind, scheinen sie doch beide der Idee eines schon erwähnten Psalteriums, einer Sammlung geistlicher Lieder zu folgen, einer Art Stundenbuch des Chorgesangs. Und Ausdruck und beabsichtigte Wirkung haben offensichtlich ebenso ein Gemeinsames: ein Gottvertrauen in allen Lebenslagen. Ist es für uns im Heute interessant, zu bedenken, dass Schein seine „Fontana d’Israel“ fünf Jahre nach Ausbruch des 30jährigen Krieges herausgibt und Reger die „Acht geistlichen Gesänge“ kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges schreibt und die Veröffentlichung zurückhalten möchte, bis der Krieg vorbei ist – was ihm nicht gelingt, weil er selbst 1916 stirbt. Man findet die Partitur auf seinem Nachttisch, aufgeschlagen wohl nicht zufällig die Korrekturfahne genau der Schluss-Takte „…und wir in SEINEN Händen“?
Wir meinen, ja – in der Gewissheit, dass die Musik eine tröstende, heilende, Zuversicht und Vertrauen gebende Kraft besitzt.
Die wird übrigens ganz besonders auch in Johann Sebastian Bachs zauberhaften Suiten für Violoncello solo erlebbar, die wir als weiteren Kontrast zwischen die umarmenden Chorklänge
streuen.
Und dann ist da noch der Ausblick auf das Weihnachtswunder, das bewusst dem Monat des Totengedenkens folgt und das Bild der Hoffnung nach dem Dunkel, die Linderung von Verlust und Schmerz darstellt: Stimmungsvoll zeichnen Joanna Marsh, die 1970 in Großbritannien geboren ist und heute in Dubai lebt, das „O Magnum Mysterium“, in unserem Programm nun Einführung zu
Regers „Frauentraum“, der zarten Vertonung des Jesuskindes, das unter Marias Herzens wächst.
Und wenn man nicht an Gott glaubt? Joanna Marsh, die möglicherweise an Gott glaubt, wie ihre anderen Stücke bezeugen, gibt uns in der Vertonung des sehr anrührenden Liebesgedichtes von Imtiaz Dharker, „I Take Thee“, das Mittelstück unseres Konzertes, das Scharnier zwischen den Sammlungen sozusagen: Die Liebe möge solche Kraft besitzen, den Tod davon abzuhalten, uns während der Einnahme unseres „teas with buttered hope“ zu stören. Also breiten wir die Arme aus und springen – im Vertrauen auf Gott, auf die Liebe, auf das Leben vor und nach dem Tode

Programm:

Max Reger, Acht geistliche Gesänge für gemischten Chor, op. 138, 1916
- Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit

Johann Hermann Schein, Israels Brünnlein, 1623
- Die mit Tränen sähen
- Wende Dich, Herr
- Zion spricht: der Herr hat mich verlassen

Joanna Marsh, Thou hast searched me and known me – Psalm 139,1-6 (May 2015)

Max Reger, Acht geistliche Gesänge, op. 138
- Morgengesang: “Du höchstes Licht”
- Nachtlied: „Die Nacht ist kommen“

Johann Sebastian Bach, Allemande aus Cello Suite Nr. 1

Johann Hermann Schein, Israels Brünnlein, 1623
- Da Jakob vollendet hatte
- Ich freue mich im Herren
- Was betrübst Du Dich, meine Seele

Joanna Marsh, I Take Thee (2020)

Max Reger, Acht geistliche Gesänge, op. 138
- Das Agnus Dei

Johann Sebastian Bach, Sarabande aus Cello Suite Nr. 5

Joanna Marsh, O Magnum Mysterium (December 2019)

Max Reger, Acht geistliche Gesänge, op. 138
- Unser lieben Frauen Traum
- Wir glauben an einen Gott

Kronenchor Friedrichstadt, Leitung: Teresa Pfefferkorn

Anne Mieke Hardenbol, Cello
Xavier Durand, Orgel